H_D hat am 08 Jan 2021 22:50 geschrieben:Du solltest einfach kritischer deine Quellen prüfen und mal kurz darüber nachdenken.
Beispiel:
Laut einer Studie leben Rotweintrinker länger und gesünder als Biertrinker
Liegts am Wein?
Wohl nicht. Eher daran, dass der geläufige Weintrinker eher generell gesünder lebt
Gut, das ist natürlich ein sinnvoller Hinweis und ein gutes Beispiel.
Ich habe dazu jedoch drei - kritische

- Anmerkungen:
1. Dein Wein-Beispiel ist ein klassischer Fall von Korrelation und Kausalität. Um zu vermeiden, eine Korrelation für eine Kausalität zu halten, wird in vernünftigen Studien ja - sofern möglich - auf das Doppel-Blind-Prinzip geachtet und zumindest eine Kontrollgruppe eingerichtet. In den von mir angeführten Studien (besonders in der ersten, die du kritisiert hast) gab es ja sehr wohl eine Kontrollgruppe, und es gab auch zwei klare Anweisungen: "Ändern Sie an Ihrer Ernährung in den nächsten Wochen nichts" (an die Kontrollgruppe) sowie "Ersetzen Sie ab sofort täglich X Fleischportionen durch Fleischersatzprodukte und ändern Sie am Rest Ihrer Ernährung nichts" (an die andere Gruppe). Natürlich kann man jetzt verschiedene kritische (An-)Fragen stellen: war die Fleischersatz-Gruppe womöglich übermotiviert, sprich hat zusätzlich zum Konsum von Fleischersatzprodukten auch noch anzufangen Sport zu treiben oder Grünkohl zu essen? Welcher Art waren die Fleischersatzprodukte: Sojabasis, Erbsenbasis, Weizenbasis? Wie lang war die Inhaltsliste? Waren Vitamine und MIneralien zugesetzt? Hat ein Teil der Probanden in der Kontrollgruppe parallel zur Untersuchung womöglich seinen Job verloren und hatte deshalb mehr Existenzängste und Stress im Leben? etc etc etc. Das ist in meinen Augen auch alles gerechtfertigt, aber a) hat das nichts mit Korrelation vs. Kausalität (wie im von dir angeführten Wein-Beispiel) zu tun und b) angenommen, die Probanden hätten sich tatsächlich genau an die Vorgaben gehalten (wir können ja nicht mit Sicherheit sagen, dass sie das nicht haben), warum wäre es dann verwerflich anzunehmen, dass Unterschiede in den Gesundheitsmarkern auf die Veränderung in der Ernährung zurückzuführen sind?
2. Ich unterstütze kritisches Hinterfragen absolut. Doch ab welchem Punkt würdest du sagen wird eine kritische Grundhaltung zu einer wissenschaftsungläubigen Ignoranz? Nicht, dass ich dir das unterstelle - ganz im Gegenteil. Ich freue mich über das Niveau unserer Diskussion. Aber ich denke, gerade gesellschaftlich gibt es heutzutage einige Strömungen, die in diese Richtung gehen und so ziemlich jede wissenschaftliche "Erkenntnis" durch übertriebenes Nachfragen und extrem abstruses In-Zweifel-Ziehen abtun. Wo verläuft da die Grenze?
3. Wenn ich mich richtig erinnere, kam im Laufe unserer Diskussion von dir oder von jemand anderem auch schon der Hinweis: "Vielleicht sind (manche) Veganer ja nicht unbedingt deshalb gesünder, weil sie kein Fleisch etc. essen, sondern einfach weil sie mehr Obst und Gemüse usw. essen." Was ja gut zu deinem Wein-Beispiel und der Korrelation-Kausalität-Problematik passen würde und was ich größtenteils sogar so unterschreiben würde. Aber auch da: wer sagt, dass es nicht anders herum ist, sprich dass es nicht doch tatsächlich allein das Weglassen von Fleisch und Co. ist, das gesundheitliche Vorteile mit sich bringt? Nicht, dass ich das in der Deutlichkeit so sagen würde, aber wie würdest du auf diese Frage antoworten? "Sei kritischer und benutze deinen gesunden Menschenverstand" wäre da in meinen Augen ziemlich unzureichend, denn dahinter stünden zwar die Prämissen "Jeder weiß, dass Obst und Gemüse gesund sind" sowie "Viele Menschen auf der Welt essen Fleisch und keiner von ihnen fällt auf einmal tot um", aber genauso gut könnte die Gegenseite ja die Prämissen aufstellen: "Jeder weiß, dass Fleisch ungesund ist" sowie "In den Gegenden, in denen die Menschen im Durchschnitt am ältesten werden, wird am wenigsten Fleisch gegessen". Zu beiden Behauptungen könnte man sagen: "Ist das von dir Angeführte wirklich Kausalität oder nur Korrelation?" Worauf ich also hinauswill, ist also: Wenn du sagst, man soll halt "kurz darüber nachdenken" - woher soll man dann bei zwei vorhandenen, konträren Argumentationen, die beide auf den ersten Blick rational klingen mögen und beide auf gleiche Art und Weise kritisiert werden können (Korrelation vs. Kausalität), wissen, welche von beiden jetzt die richtige ist? (Keine rhetorische, sondern ernsthaft interessierte Frage. Bin auf deine Antwort gespannt)